Kaum zu glauben, aber über Jahrhunderte haben Tuchmacher in Bischofsheim für Wohlstand und Ansehen der Stadt gesorgt. Die Wolle des Rhönschafs sowie Flachs und Hanf wurden am Fuße des Kreuzberges zu Tuch verarbeitet, wovon Straßennamen wie Gerberzwinger und Färberzwinger bis heute zeugen. Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert hat nun ein kleines Buch vorgelegt, das die Geschichte des heute fast vergessenen Tuchmachergewerbes in Bischofsheim aufarbeitet.
Für Eisen und Basalt ist Bischofsheim bekannt. Aber für Tuch? Tatsächlich gab es in der Stadt und angrenzenden Dörfern bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein reiches Tuchmachergewerbe. Erst die Industrialisierung und die Konzentration auf große Fabriken sorgte für den Niedergang dieses einst einträglichen Zweiges. Der letzte gewerbliche Webstuhl stand noch um 1930 in Oberweißenbrunn.
„Aufstieg und Niedergang des Tuchmachergewerbes in Bischofsheim und Umgebung“ heißt der zweite Band in der Schriftenreihe der Kulturagentur Rhön-Grabfeld. Reinhold Albert hat auf 60 Seiten die Geschichte der Bischofsheimer Tuchmacher zusammengefasst. Die Schriftenreihe soll eine Ergänzung zum jährlich erscheinenden Heimatjahrbuch des Landkreises sein und Platz für längere und ausführlichere Betrachtungen der Heimatgeschichte ermöglichen. Band eins der Reihe zum Thema „Jüdische Friedhöfe in Rhön-Grabfeld“, ebenfalls von Reinhold Albert, war im vergangenen Jahr erschienen.
Erst nach der Vorstellung der Chronik der Stadt Bischofsheim im Jahre 2010 tauchte ein Buch aus dem Jahre 1764 im Rhönmuseum Fladungen auf, das Wollenweber und Tuchmanufakturen zum Thema hatte. Auf dieses Buch baut Reinhold Albert nun seine umfangreichen Recherchen auf, die er in dem neuen Büchlein aufgearbeitet hat. Demnach reicht das Tuchmachergewerbe mindestens bis ins 16. Jahrhundert zurück. Im Jahre 1547 gab es eine Walkmühle, im 16. Jahrhundert ein Färbhaus. Nicht weniger als 34 Meister des Tuchmachergewerbes in Bischofsheim aus dem Jahre 1594 sind namentlich verzeichnet. Schafwolle wurde in der Tuchmacherei verarbeitet, Flachs und Hanf in der Leinenweberei.
Nach den Wirren des 30-Jährigen-Krieges ging es im 18. Jahrhundert wieder aufwärts mit dem Tuchmachergewerbe, ab 1765 sogar mit einer eigenen Zunftordnung. Nach einer Blüte um das Jahr 1780 folgte der Niedergang in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Heute ist die Tuchmachertradition in Bischofsheim beinahe völlig vergessen.
„Es ist ganz wichtig für die Stadt, dass dieses Kapitel umfassend beleuchtet wird“, sagte der Bürgermeister von Bischofsheim, Georg Seiffert bei der Buchvorstellung im Landratsamt. Ein großes Dankeschön für die akribische Arbeit kam von Landrat Thomas Habermann. „Sie haben einen weiteren Schatz unserer Geschichte geborgen“, sagte Dr. Astrid Hedrich-Scherpf von der Kulturagentur als Herausgeberin der Schriftenreihe.
Das Buch „Aufstieg und Niedergang des Tuchmachergewerbes in Bischofsheim und Umgebung“ von Reinhold Albert ist in der Tourismus-Information und bei der Kulturagentur in der Spörleinstraße 11 erhältlich. Oder im Buchhandel, ISB-N 978-3-942112-24-6, zum Preis von 7,50 Euro.
Stefan Kritzer
Inhaltsverzeichnis
Aufstieg und Niedergang des Tuchmachergewerbes in Bischofsheim und Umgebung
Die Tuchmacher in Bischofsheim
Die Zunftordnung der Tuchmacher von 1765
Der alljährliche Zunft-Jahrtag
Die Ausbildung der Lehrlinge
Freisprechung des Gesellen
Auf der Walz!
Es wurden Schaumeister bestellt
Rückgang des Tuchmacherhandwerks
Vorübergehender Aufschwung der Tuchmacher
Tuchmacher Johann Dickas
Der Untergang der Tuchmanufaktur
Der Landrat mühte sich vergeblich
Die Absatzmärkte schrumpften
Neuerlicher Versuch 1852
Gutachten von Prof. Herberger
Das Handelsministerium lehnte ab
Die Leinenweberei wurde gefördert
Auch die Schafzucht war rückläufig
Es zog Wehklagen und Schluchzen ein